Familie Kraft und Ray
Ray – Mischling, jung, blind, kurzes helles Fell und so lieb und zutraulich.
Es war im Juli 2011. Wir hatten 2 Monate zuvor zur vorhandenen 12 jährigen Hündin aus dem Tierheim einen 8 jährigen Rüden geholt. Dieser sollte einen Spielkameraden und eine Aufgabe bekommen, denn er war und ist sehr bewegungsfreudig und klug.
Ray war genau der Richtige. Zu jedem Unsinn bereit, aber darauf angewiesen, sich in unbekanntem Gelände an einem zuverlässigen anderen Hund zu orientieren.
Ich habe seine Beschreibung ausgedruckt, seine Bilder ausgeschnitten und damit eine Pappschachtel als Spardose beklebt. Und alle Geburtstagsgäste haben anstelle von sonstigen Geschenken etwas für die Schutzgebühr beigesteuert.
Mit den Mitbewohnern war alles geklärt. Die Vorkontrolle war positiv und die Vermittlerin erfreut, da Ray kurz zuvor in letzter Minute „abgesagt“ worden war.
Und nun war die Zeit der frohen Erwartung.
Die Pappschachtel mit den Fotos von Ray steht auf dem Küchentisch. Ich drehe sie immer wieder in alle Richtungen und schaue mir den hübschen Kerl an.
Wir haben einen schönen neuen Namen für dich ausgesucht. Janos, hinten „sch“ gesprochen. Schließlich bist du Ungar und darauf sollst du stolz sein und wir sind es auch. Der Name steht groß auf der Schachtel. Wir haben Treppen zum Hauseingang und daneben in den Keller. Also wird eine Abschrankung gebaut und mit der PHU telefoniert. „Bitte, unbedingt Treppen trainieren!“
Unsere alte Hundedame kann es nicht leiden, wenn sie angepöpelt wird. Eine Rücksprache mit Gabor ergibt, dass das überhaupt kein Problem ist. Janos, dein Sozialverhalten ist absolut vorbildlich. Wir besorgen Absperrgitter, damit Ray schrittweise den Hof erkunden kann und sich nicht sofort die komplette Fläche einprägen muss. Sämtliche Besucher werden informiert, dass zukünftig beim Öffnen und Schließen des Hoftors auf Ray geachtet werden muss.
Ein spezielles Hundeshampoo mit Zusatzwirkstoffen gegen „Ungeziefer“ wird eingekauft und ein Termin beim Tierarzt vereinbart.
Wir schwelgen in Vorfreude, die Neffen fragen täglich, wie lange das noch dauert, bis Ray endlich da ist. Wir haben die kompletten 6 Wochen Sommerferien für die Eingewöhnung. Alles perfekt.
Nur noch 14 Tage, noch 10, noch 9, 8, 7, …
Super-GAU!!!
Die Schwägerin im angebauten Nebenhaus hat Alpträume, kann nicht mehr schlafen. Sie wird von der Vorstellung verfolgt, dass der neue Hund überfahren wird, und das vor den Augen ihrer halbwüchsigen Kinder. Sie steigert sich immer weiter in diese Vorstellung hinein, schläft nicht mehr, isst nicht mehr, …
Schließlich werden wir vom Ehemann händeringend gebeten, den neuen Hund abzusagen. Ich weigere mich. Der Zustand der Schwägerin verschlimmert sich. Ich weine zwei Tage. Dann sage ich Ray ab. Lebe wohl, mein Liebling!
Ja, ich war schwanger mit einer PHU-Fellnase. Aber die Schwangerschaft endete mit einer Fehlgeburt. Wirklich ausgestanden sind die Nachwirkungen bis heute nicht. Immer noch wohnen bei uns „nur“ zwei Hunde, obwohl wir reichlich Platz haben. Die Wunde sitzt tief und schwelt.
Übrigens: Ray hat kurz danach ein sehr schönes Zuhause gefunden und wird von seiner Familie als „Jackpot“ bezeichnet.
Josefine Kraft